Dienstag, 24. Juni 2008

Linguistik und die Politik

George Lakoff hat einige sehr aufregende Thesen zur aktuellen Politik, bzw. hat diese vor einigen Jahren verbreitet. (Englisch)

"War on Terror" und andere Catchphrases

Wie Konservative Sprache benutzen

Ich möchte das Abgrenzen von der Sapir-Whorf-These, da in diesem Fall der Diskurs auf die Realität zurückwirkt. Bei Sapir-Whorf ging es um grundsätzliche Realismuskritik.

Das ist meines Erachtens das erste Mal, dass ein Linguist tatsächlich etwas vernünftiges sagt.

Das Grundlegende Argument ist, dass die Debatte über ein Thema anhand ihrer Begriffe "geformt" ("framed") wird. Beispielsweise:

If you then add the word "voter" in front of "revolt," you get a metaphorical meaning saying that the voters are the oppressed people, the governor is the oppressive ruler, that they have ousted him and this is a good thing and all things are good now. All of that comes up when you see a headline like "voter revolt" - something that most people read and never notice. But these things can be affected by reporters and very often, by the campaign people themselves.
Wenn Sie dann das Wort "Wähler" vor "Aufstand" schreiben, bekommen Sie eine metaphorische Bedeutung, die sagt, dass die Wähler das unterdrückte Volk sind, der Gouverneur ist der repressive Herrscher, dass sie ihn ausgebootet haben und dass das auch gut so ist [adÜ:Wowereits "ich bin Schwul und das ist auch gut so" wurde übersetzt als "I'm gay, and that is a good thing" - in diesem Zusammenhang bemerkenswert, wie krass das Deutsche "das ist auch gut so" paßt!] ist und dass jetzt alles gut ist. Alles davon kommt hoch, wenn sie eine Schlagzeile mit "Wähleraufstand" sehen - etwas, was viele Leute lesen und nie bemerken. Aber diese Dinge können von Reportern beeinflußt werden, und sehr häufig von den "campaign people" selber.

Eine Abgrenzung ist auch gegenüber der "subliminalen Beeinflussung" zu sehen: es geht hier nicht um simplen Behaviorismus und auch nicht um Plumpe werbung. Wir reden hier erstmal über echte Unterschiede im Ausdruck zwischen verschiedenen Entitäten, die vielleicht quantifizierbar sind!

Wie redet denn zum Beispiel Kurt Beck über seine Partei?

Wie wird denn zB und von wem wie über die SPD gesprochen?

Google News Deutschland: "Beck Schlingerkurs"

Welt, Faz, FTD, Die Zeit und das ND (wtf?)

Google News Deutschland: "Beck Zickzack"

Eher unauffällig.

Gegenprobe...

Google News Deutschland: "Beck Sozial"

Der Anblick, der mir da gerade entgegenschlägt, ist unglaublich, das muß ich in einem Screenshot verewigen:


Nochmal zitiert:
Beck versus Stalin – wem gehört die soziale Idee
WELT ONLINE -
23. Juni 2008
Das ist ja schon Realsatire... Aber das nur am Rande

Ansonsten: Bad Kreuznacher Anzeiger, Süddeutsche und Schwäbische (!), aber auch nochmal die Welt - interessanterweise mit einem Bericht über einen eher rechten SPDler unter dem Titel "Klaus von Dohnanyi – Großbürger und Querkopf" - also...

Es geht weiter:

Google News Query: "Beck Macht"

Interessanterweise kaum ein Artikel, der von der macht Becks als solcher Handelt, nur Dinger wie: Beck macht sich keine Sorgen, Geschlossen vor dem Sommerloch, SPD-Kandidatin macht Avancen nach Links - je nach Neigung wieder von einschlägigen Medien. Na wenn das mal nicht ein erstklassiges Beispiel ist.

Die Begriffe habe ich hier übrigens natürlich voreingenommen ausgewählt. Ich empfehle, für die feinsinnigeren, weiterhin derart zu Suchen: "merkel entschlossen" "beck entschlossen" und auf die kleinen, aber feinen Unterschiede zu achten. Frage: kann man diese unterschiede Quantifizieren? Wäre eine Art fortgeschrittenes "Googlewar" möglich?

Noch ein Tip (danke, Albrecht): "SPD Solidargemeinschaft", "CDU Solidargemeinschaft" - bei mir waren eben 2 von 4 Treffern gleich.

Und, noch eine Anmerkung: die politische Meinungsbildung findet ja fast nur noch über Massenmedien statt.

Also, Beweisführung Abgeschlossen, Lakoff hat Recht, die habens einfach nicht drauf.

Und wieder ein bißchen mehr verstanden...

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